Alfred Escher Denker, Unternehmer, Politiker

5 Learnings von Alfred Escher, Politiker, Wirtschaftsführer und Unternehmer

Aufruf: Unternehmerinnen und Unternehmer in die Politik!

Alfred Escher nahm wie kein anderer Einfluss auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz im 19. Jahrhundert. Escher-Biograf Joseph Jung hat anlässlich des «Tag der Unternehmer» fünf wichtige Erkenntnisse zu Escher formuliert. 

Erkenntnis 1: Visionäre braucht das Land
Der Zürcher Alfred Escher war Politiker in einem Land, das Mitte des 19. Jahrhunderts als Entwicklungsland bezeichnet werden muss. Doch er war mehr: Gründerpionier und Visionär. Er wurde Promotor bedeutender Wirtschaftsunternehmen und hat einzelne auch operativ geführt – namentlich die Schweizerische Kreditanstalt (heute Credit Suisse), die Nordostbahn und die Gotthardbahn-Gesellschaft (heute SBB). Bei alldem liess sich Escher von Visionen eines modernen, zukunftsfähigen Landes leiten. Als Escher von der gesellschaftspolitischen Bühne abtrat, war aus dem Entwicklungsland eine führende Industrienation geworden. Vieles, was damals beschlossen wurde, bildet die Grundlage der heutigen Erfolgsgeschichte.

Erkenntnis 2: Der Verkehr ist der Schlüssel zum Erfolg
Escher hat die Erschliessung der Schweiz durch die Eisenbahn als die Schlüsselfrage der Zeit erkannt. Die Eisenbahn wurde zur Lokomotive des Fortschritts und definierte die Machtverhältnisse neu. Die Geschichte zeigt, dass nur diejenigen Staaten wirtschafts- und gesellschaftspolitisch führende Rollen einnehmen, welche die Verkehrsfrage richtig beantworten. Bei Escher war der privat strukturierte Bahnverkehr das weit ausstrahlende Symbol des technischen Fortschritts. Heute ist es der digitale Verkehr.

Erkenntnis 3: Innovationskraft und Fortschrittsglaube als Richtschnur  
Die junge Schweiz zu Eschers Zeiten strotzte vor Innovationskraft. Sie wurde zu einem Land von Pionieren. Diese Pioniere haben die Schweiz geprägt. Ihre Wirksamkeit erfasste Industrie, Gewerbe, Handel, Technik wie auch Tourismus, Forschung und Entwicklung. Der Bundesstaat von 1848 löste Dynamik aus; der Glaube an den Fortschritt und der Drang zum Aufbruch nach neuen Ufern wurden Programm. Dieser Spirit of 48 stiess einen tiefgreifenden Wandel an. Möge der Geist des Fortschritts wieder kräftig durch Chefetagen und Ratssäle wehen.

Erkenntnis 4: Alfred Escher ist mit niemandem zu vergleichen
Wo finden wir eine vergleichbare Persönlichkeit? In der Schweiz nicht. Hier gibt es nur einen Alfred Escher. Wo in Europa? In Deutschland fällt der Blick auf Reichskanzler Bismarck. Doch ihm gingen unternehmerische Talente ab. König Ludwig II. von Bayern war Schlossherr und gab Geld aus, das er nicht hatte. Die Grössen der deutschen Industrie? Alfred Krupp und August Borsig entwickelten Maschinenbau und Metallindustrie und kontrollierten ganze Wirtschaftszweige. Doch sie waren keine Politiker. In den USA? Abraham Lincoln und andere US-Präsidenten der damaligen Zeit waren keine Unternehmenspioniere und Wirtschaftsführer. Die Wirtschaftsgrössen jener Zeit wiederum waren keine Politiker: nicht der Bankgründer J.P. Morgan, nicht der Erdölmagnat und Mäzen J.D. Rockefeller. Am ehesten L. Stanford – der Eisenbahnunternehmer, Gouverneur und Senator, der Begründer der Stanford University.

Erkenntnis 5: Unternehmerinnen und Unternehmer in die Politik: Aufruf!  
Ein Geheimnis der Schweizer Erfolgsgeschichte nach Mitte des 19. Jahrhunderts war die enge Verbindung von Politik und Wirtschaft. Viele Unternehmer waren auch politisch tätig, auf eidgenössischer, kantonaler oder kommunaler Ebene. Alfred Escher und seine 48er stehen dafür beispielhaft. Heute findet man kaum mehr Unternehmer in den Ratssälen. Das spricht nicht für die politische Ausgewogenheit der Schweizer Politik und ist auch nicht im Sinne der wirtschaftsliberalen Gründerväter. Daher: Auf in die Politik!

Infobox

Der Schaffhauser Historiker und Publizist Joseph Jung (65), ehemaliger Geschäftsführer und Leiter Forschung der Alfred Escher-Stiftung, ist heute Gastprofessor an mehreren Hochschulen und Universitäten. Er hat grundlegende Publikationen zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Schweiz verfasst. Für seine Biografie von Alfred Escher wurde er mehrfach ausgezeichnet. Auch mit seinem neusten Werk erzielte er einen Bestseller: «Das Laboratorium des Fortschritts. Die Schweiz im 19. Jahrhundert» (Verlag NZZ Libro, 678 Seiten, 100 farbige Abb., CHF 58). Darin beschreibt er, wie aus dem Kleinstaat Schweiz eine bedeutende Wirtschaftsmacht wurde.

Kontakt: Joseph Jung