Nachgefragt bei Raphaël Crestin, Real Estate Project Manager, Insula SA

Wohnen, arbeiten, Dinge schaffen, Sport treiben, sich treffen, essen gehen, flanieren, sich entspannen und vieles mehr: Der Tilia Tower steht für alles dieses und noch mehr! Mit seiner einzigartigen Architektur und seiner Struktur aus Holz und Beton, seinen einladenden Grünflächen, seiner Vielzahl an Aktivitätsangeboten, seinen Energietechnologien und seiner Mobilitätsvernetzung bildet der Tilia Tower einen innovativen Lebensraum mitten im nachhaltigen Quartier Malley.

Raphaël Crestin ist Leiter des Projekts Tilia. Nach seinem Architekturstudium an der ETH Zürich studierte er Städtebau und Stadtplanung in Paris (Ecole des Ponts ParisTech), wo er als Architekt und Stadtplaner arbeitete. 2012 kehrte er in die Schweiz zurück, um zunächst in Genf und dann in Lausanne an Stadtentwicklungsprojekten zu arbeiten. Heute ist er Real Estate Project Manager für die Insula AG, die Bauherrin des Projekts.

Raphaël Crestin
SVC: Was sind die Herausforderungen beim Bau eines 85 Meter hohen Hochhauses aus Holz?
Der Bau eines 85 Meter hohen Holzhochhauses bringt eine ganze Reihe Herausforderungen mit sich, vor allem beim Brandschutz. Die erforderlichen Massnahmen lassen sich jedoch leicht umsetzen, denn es gibt reichlich Erfahrungswerte. Beim Projekt Tilia haben wir uns entschieden für leicht überdimensionale Querschnitte der Holzbalken und -träger entschieden, damit bei einem Brand der Holzaussenseiten eine hohe Widerstandsfähigkeit gegeben ist. Darüber hinaus wird das im Gebäudeinneren sichtbare Holz als eigentliches Markenzeichen des Projekts im Brandfall durch ein sogenanntes «Feuerlöschsystem», d. h. eine Sprinkleranlage, geschützt. Die zweite Herausforderung betrifft die Akustik; sie ist weniger leicht zu bewältigen. Hier haben wir einen Fussboden aus einem Holz-Beton-Verbund entwickelt, der den Luftschall dämmt. Somit lassen sich verstärkt vorgefertigte Elemente einsetzen, was die Bauarbeiten beschleunigt – ein grosser Vorteil bei einem Projekt dieses Ausmasses. Doch die eigentlichen Schwierigkeiten beim Bau einer 85 Meter Holz-Beton-Konstruktion liegen in der Koordination zwischen den einzelnen Auftragnehmern, d. h. den Fachleuten, und der Vorgabe der Bauherrin: Hier ist es uns gelungen, trotz der technischen Herausforderungen so viel Holz wie möglich zu verbauen. Kurz – die Insula AG hat sich mit zahlreichen Herausforderungen auseinanderzusetzen, erhält parallel aber auch zahlreiche Anreize: die umweltfreundliche Bauweise (das Gebäude hat beim Bau einen ökologischen Fussabdruck von 9,8 kg CO2/m2 pro Jahr, ohne Berücksichtigung des im Holz gespeicherten CO2) steht dabei an erster Stelle, der schnelle Fortschritt der Bauarbeiten zählt sicher ebenfalls, wie auch die Tatsache, dass es sich um ein aussergewöhnliches Projekt mit ausgeprägten Vorteilen für die Nutzenden und die Bewohnerinnen und Bewohner handelt. Der aktuelle Preisanstieg bei Baumaterial beschränkt sich nicht nur auf Bauholz; auch hier wollen Lösungen gefunden sein. Bei der Ausschreibung wird Wert auf eine lokale Beschaffung gelegt, um Mehrkosten und CO2-Emissionen im Zusammenhang mit dem Transport möglichst gering zu halten. Hiermit tragen wir dazu bei, dass sich die Kosten im Rahmen halten dürften. Davon sind wir überzeugt.
SVC: Lässt sich die bauliche Verdichtung in Form eines Hochhauses mit dem Nachhaltigkeitsanspruch vereinbaren, insbesondere in energetischer Hinsicht?
Eine solche Verdichtung ist absolut vereinbar mit Nachhaltigkeitsaspekten, ganz besonders, wenn eine gute Anbindung an den öffentlichen Nah- und Überlandverkehr (ÖV) gewährleistet ist. In Quartier Malley werden mit dem Tilia Tower zwei Ziele auf einmal erreicht: die zukünftigen Nutzenden. Bewohnerinnen und Bewohner sind besser an den grundsätzlich umweltfreundlicheren ÖV (Zug, Tram, BRT-Systeme (Bus Rapid Transit)) angebunden und die Bodenfläche wird besser ausgenutzt. So lassen sich die Zersiedelung und die Bodenverschwendung am Stadtrand reduzieren. Die begrenzte Anzahl von Privatparkplätzen (maximal 150 Stellplätze für ein Gebäude mit einer Geschossfläche von 37’000 m2) und die Förderung der sanften Mobilität sowie die Bereitstellung von über 500 Velostellplätzen sprechen für das Projekt Tilia. In energetischer Hinsicht lässt sich einwenden, dass die Form des – energieaufwändigen – Gebäudes nur eine begrenzte Dachfläche für die Installation von Solarmodulen bietet. Wir haben uns entschieden, das Dach sowie die Fassade so weit wie möglich für Photovoltaik zu nutzen. Dabei legen wir Wert auf eine harmonische Integration der Solarpanels in die Architektur. Zudem haben wir die CO2-freie Stromerzeugung diversifiziert und setzen neben Sonnenenergie auf die Abwasserwärmenutzung, die Verlegung von Erdwärmesonden unter dem Gebäude und den angrenzenden Aussenflächen, die Nutzung des Gebäudefundaments zur Energieerzeugung (energetische Geostrukturen), um nur einige zu nennen. Die Insula AG will damit die Energieautarkie des Projekts stärken, das Gebäude jedoch gleichzeitig an das lokale Energieversorgungssystem anbinden, damit es bei Bedarf an das lokale Fernwärmenetz angeschlossen werden kann.
SVC: War es leicht, Partner zu finden, die den Nachhaltigkeitsgedanken teilen und umsetzen können?
Die Wahl der Auftragnehmer und Partner ist von entscheidender Bedeutung. Wichtig ist, dass sie den Nachhaltigkeitsansatz der Bauherrin verstehen und mittragen. Die Hauptpartnerin der Insula AG ist die Gemeinde Prilly, die das Projekt Tilia uneingeschränkt unterstützt. Sie spielt eine besondere Rolle im Hinblick auf die Governance und die Festlegung der Nachhaltigkeitsziele für das Quartier Prilly-Malley. Was das Know-how in den Bereichen Energiedienstleistungen und Energieinfrastruktur anbelangt, so arbeiten wir mit Local Energy zusammen, einem starken Partner in Sachen Nachhaltigkeit. Im Jahr 2020 fand ein internationaler Architekturwettbewerb zur Auswahl der spezialisierten Architekten und Auftragnehmer statt. Auch hier spielt die Übereinstimmung in Nachhaltigkeitsfragen zwischen der Bauherrin und den Anbietern eines wesentliche Rolle. Zusätzlich arbeiten wir in den sensibelsten Bereichen der nachhaltigen Entwicklung (Energie, Holzbau usw.) mit unabhängigen Fachleuten zusammen, die uns Zweitgutachten erstellen, um den Nachvollzug der Entscheidungen der Bauherrin zu erleichtern.
SVC: Inwiefern ist das Projekt Tilia ein Beispiel für Nachhaltigkeit?
Neben den bereits genannten Punkten (Verdichtung um einen ÖV-Knotenpunkt und Holz-Beton-Konstruktion) steht Tilia für ganz spezifische Fortschritte in sozialer und ökologischer Hinsicht. Das Projekt bietet Räume, die Lebensqualität schaffen und die den modernen Erwartungen insbesondere in den Bereichen Urbanität und gesellschaftliches Leben entsprechen. Die Verwendung von Holz in der Gebäudestruktur und Inneneinrichtung, die gemischte Nutzung (Hotel, Co-Living, Läden, Co-Working, Wohnungen usw.) füllt das Projekt mit Sicherheit mit Leben. Die Qualität der Innenräume und ihrer zahlreichen, aus verschiedene Nutzungsarten ausgerichteten Fortsetzungen nach aussen (Terrassen, Loggien usw.) verbinden positive Umwelteigenschaften geschickt mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten. Sämtliche Gebäude und Anlagen des Projekts Tilia sind Teil der nachhaltigen Entwicklung des Stadtteils und so konzipiert, dass sie als erneuerbare Energiequellen vor Ort Energie erzeugen und umweltschonende Energieträger verwenden. Sie sind mit dem Gütesiegel «2000-Watt-Areal» und nach «Minergie-P-ECO» zertifiziert. Die Vielzahl der eingesetzten Techniken wie Geothermie, Photovoltaik usw. ermöglicht einen sehr geringen Energieverbrauch auf CO2-freier Basis. So beträgt der IDC (indice de dépense énergétique – Index für Heizenergiebedarf) des Gebäudes etwas weniger als 100 MJ/m2/Jahr, d. h. 25 % weniger als bei den meisten Minergie-zertifizierten Gebäuden Eine weitere Besonderheit des Projekts sind seine Begrünung und Landschaftsgestaltung. Tilia ist sowohl ein Immobilien- als auch ein landschaftsplanerisches Projekt. Neben den begrünten Dächern umfasst das Projekt ein weitgespanntes Netz an Grünflächen rund um das Gebäude. Es gibt eine Vielzahl von Baumarten und nur wenige versiegelte Flächen, was der Artenvielfalt im Quartier deutlich zugutekommt und der Bildung von innerstädtischen Wärmeinseln entgegenwirkt.
Raphaël Crestin
Name
Raphaël Crestin
Position / Unternehmen
Real Estate Project Manager, Insula SAhttps://tiliatower.ch/